Es geht mir richtig gut! Tut es nicht. Ich blicke mir die geschwungene Leuchtschrift auf der Hauswand genau an. „Es geht mir richtig gut“, lese ich erneut. Eine indirekte, limettengrüne Beleuchtung verleiht den Buchstaben einen 3D-Effekt. Wenn ich es nur eindringlich genug vor mir sehe, glaube ich es vielleicht, oder wie? Denke ich verächtlich. Meine Mutter und ich greifen unsere Koffer und verlassen die Tiefgarage des European Ayurveda Resort Sonnhof. An der Rezeption werden wir von beherrschendem Räucherstäbchen-Duft und zwei blutjungen Rezeptionistinnen empfangen. Während wir eine kleine Willkommens-Einführung erhalten, bemerke ich einen Mann. Er ist Inder, klein, dunkles, volles Haar, sehr gepflegt und trägt einen akkurat sitzenden Blazer. Sein Name ist Herr Sharma und ich werde zwei Tage später seine Bekanntschaft machen. Er wird mir erklären, dass es kein Zufall war, dass ich an Krebs erkrankte und mir raten, eine Eibe zu pflanzen. Aber dazu später mehr.
Nachdem wir unser geräumiges Zimmer bezogen haben, trete ich meine 10-tägige Rasayana Kur an. Es ist 15 Uhr und das bedeutet Nachmittags-Snack. Im Restaurant stehen hübsch hintereinander aufgereiht, kleine Kuchen-Schnittchen breit. Ein Kellner serviert Kaffee. Im vorbeilaufen begrüßt er uns. „Frau Enzmann, Sie machen Kur, richtig?, hält er inne. „Ja, genau“ stammle ich verblüfft. Wow, der weiß wie ich heiße. Ich neige ja dazu den Namen meines Gegenübers noch während der Vorstellung zu vergessen. „Dann dürfen Sie Getreidebrei und gedünstetes Obst“, erklärt er mir und deutet auf kleine Schälchen, gefüllt mit grauer Masse und gedünstetem Obst, die unter einer Wärmehaube stehen. „Frau Zywietz, Sie machen keine Kur, sie dürfen alles. Möchten Sie Kaffee?“, fragt er routiniert an meine Mutter gerichtet. Entsetzt sehe ich sie an. Sie wird doch nicht etwa? „Nein, danke.“, antwortet sie lächelnd und sieht mich dabei an.
Als wir uns heute Morgen unseren Weg durch die bergige Landschaft mit dem Auto bahnten, verpassten wir die Hoteleinfahrt glatt. „Da stand gerade Sonnhof“, bemerkte ich. „Das kleine Ding?“ entfuhr es meiner Mutter. Und ich musste ihr zustimmen. Wir hatten einen hoch modernen, verglasten Gebäudekomplex mit dampfendem Außenbereich erwartet. Der Preis ließ zumindest darauf schließen. Was wir vorfanden, war ein Gasthaus, wie es hier alle Naselang zu finden war. Das Interieur war eine Mischung aus rustikalem Tiroler-Charme und knallbunten Bollywood Akzenten. Schon bei der Ankunft kamen uns Gäste in Hotelbademänteln und Handtuchturban schlurfend entgegen und uns wurde schnell klar, dass unsere Unmengen an Gepäck völlig überflüssig waren und das es galt dieses nicht nur im physischen Sinn, sondern auch im übertragenen Sinn zurückzulassen. Und so verstauten wir unsere Kleidungsstücke im Schrank und beförderten diese ungetragen zurück in den Koffer am Tage unserer Abreise. Völlig ausgeleierte, zerschlissene und abgenutzte Gedanken hingegen, ließen wir zurück. Denn dieses kleine Gasthaus hatte es geschafft, Großes zu bewegen. Als ich nach einigen Tagen Aufenthalt in Hoteluniform, bestehend aus Bademantel und Schlappen, von meinen Behandlungen zurück aufs Zimmer ging und die mir entgegenkommenden Hotelgäste freundlich grüßte, schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Ich fühle mich hier wie in einem Kokon. Kein luxuriöser Kasten mit zahlreichen „Annehmlichkeiten“ hatte es je geschafft mir dieses Gefühl zu vermitteln und so musste ich mir eingestehen, dass meine Grundeinstellung oftmals nicht nur wertend, sondern sogar abwertend war. Dass der Kellner meinen Namen am Tag der Anreise wusste, dass das Menu meine Anti-Hormon-Therapie berücksichtigte, dass der Arzt nach nicht einmal fünf Minuten Gespräch spürte, dass mir Massage-Anwendungen von Frauen angenehmer waren, all das war hier kein Zufall, sondern diente dazu, sich fallen zu lassen und auf sich zu konzentrieren.
Mit knurrendem Magen aufgrund der Ernährungsumstellung von stark kohlenhydrat-lastiger, gelegenheits-vegetarischer und mehlspeisen-integrierender Ernährung auf, naja, vegan in vorwiegend breiiger Konsistenz, sitze ich an Tag zwei meiner Kur, dem Ayurveda-Mediziner und Praktiker Gaurav Sharma in seinem Büro gegenüber. Und was jetzt passiert, geschieht ganz schnell. Und das sage ich nicht zum Spannungsaufbau. Noch während Herr Sharma sich mein Geburtsdatum notiert, prasselt eine Flut an Fragen, Zahlen, Hinweisen, Denkanstößen und Aufgaben auf mich ein. Auf einem Ausdruck, auf dem Shakren, Planeten und Tabellen abgebildet sind, errechnet er aus meinem Geburtsdatum Zahlen, die Aufschluss auf meine Person geben. Wobei ich ihm beim Errechnen helfen muss! Ich fühle mich wie in einer mündlichen Mathe-Prüfung, denn er fordert mich auf, die von ihm diktierten Zahlen zu addieren und ihm das Ergebnis zu nennen. Oh, vielleicht gibt ihm das jetzt schon Aufschluss auf mein Denkvermögen – na hoffentlich nicht. „32?“ Stammle ich kleinlaut. Er notiert eine 33. Ups. Denke ich beschämt. „Alles ist Schicksal“ schnappe ich auf. „Wussten Sie, dass diese Zahlen Krebs bekommen?“ fragt er mich und deutet auf eine Reihe Zahlen, die er auf das Blatt vor mir geschrieben hat. Natürlich wusste ich das nicht. Er rechnet weiter und notiert in einer Art Matrix seine Ergebnisse. „Sie, Frau Enzmann, besitzen zwei dieser Krebs-Zahlen“. Schluck. Na super. Doch ich habe gar keine Zeit Trübsal zu blasen, denn er diktiert mir eine Reihe an Dingen, die ich am besten gleich erledigen soll. Beispielsweise eine Eibe pflanzen, denn ich bin sehr erdverbunden, sagt er. Dass meine Geigenfeige zu Hause das nicht bestätigen würde, verschweige ich. Neben einer Reihe an individuellen Maßnahmen („Nichts essen, was einen Busen hat“), gibt er mir auch eine Liste an Tipps für ein gesünderes Leben, die ich an dieser Stelle mit euch teilen will.
Ernährung:
Essen solltest du nie kalt zu dir nehmen (5 G’s: Gegart, gegrillt, gedüstet, gekocht, getoastet).
Wenn Rohkost oder Salat, dann niemals nach 15 Uhr. Die Verdauung benötigt zu viel Energie und stört unter Umständen die Nachtruhe.
Das bedeutet aber auch, dass du Getreide immer kochen solltest! Adieu also zum Frühstücksmüsli mit kalter Milch und Hallo Getreide-Brei mit gedünstetem Obst! Und weißt du was? Es ist wirklich kinderleicht und schmeckt extrem lecker!
Und wie ist das mit dem Fleisch?
Fleisch wird nicht verteufelt, aber man muss wissen, dass die Ayurvedische Küche überwiegend vegan aufgestellt ist. Aber wie sagte schon Martin Luther King? „Du musst nicht die ganze Treppe sehen, die erste Stufe genügt“. Was bedeutet das nun für unseren Alltag? Wenn du gerne Fleisch isst, dann versuche es auf das Wochenende zu beschränken. Wichtig ist allerdings, dass du dich von ausgezeichneter Qualität ernährst und das gilt nicht nur für Fleisch und Fisch. Leichter gesagt, als getan, ich weiß. Aber wenn wir uns vergegenwärtigen, dass unsere Ernährung in direktem Zusammenhang mit unserer Selbstliebe steht, dann fällt es dir vielleicht leichter!
Selbstliebe ist der Schlüssel
Du musst einmal in dich hineinhören und dich fragen, ob du selbstbewusst bist. Selbstbewusstsein hat nichts mit Arroganz oder Hochmut zu tun. Selbstbewusstsein ist das, was es eben ist: Bist du dir deiner Selbst bewusst? Oder in anderen Worten: Kennst du dich eigentlich? Bist du in der Lage eine Beziehung zu dir aufzubauen? Eine tiefe Freundschaft? Und wenn ja, wie sieht diese Freundschaft aus? Beleidigst und beschimpfst du dich unaufhörlich selbst, oder hast du Vertrauen in dich und liebst alles an dir? Würden wir mit jemandem befreundet sein wollen, der ständig nur Kritik an uns übt und uns herabsetzt? Nein? Dann fange jetzt an dich wertzuschätzen! Am besten beginnst du gleich mit deiner Ernährung.
Das VATA der Gedanken
In unserer heutigen Gesellschaft haben die meisten Menschen einen sogenannten Vata-Überschuss. Vata gehört neben Kapha und Pitta zu den drei Doshas in der Lehre des Ayurveda. Diese Doshas sind im Ayurveda fundamentale Prinzipien, die in unserer Umwelt, aber auch in uns selbst wirken. Vata steht dabei für Kälte, Rauheit und Bewegung. Durch unseren Alltag stehen wir ständig unter Stress und begünstigen somit Vata, was dann zu einer Störung führt. Daher ist es wichtig, dem entgegenzuwirken. Aber wie mache ich das? Es ist eigentlich ganz einfach: Komm zur Ruhe. Konkret kannst du folgende Dinge beachten, um dein Vata ins Gleichgewicht zu bringen:
Wirke der Kälte mit Wärme entgegen. Das bedeutet, warmes Essen und Trinken (niemals Getränke aus dem Kühlschrank oder gar mit Eiswürfeln trinken. Der Körper muss Energie dafür aufwenden, um diese wieder auf Körpertemperatur zu erwärmen!). Warme Raumtemperatur und Kleidung. Saunagänge oder warme Bäder.
Wirke der Rauheit entgegen mit Öl. Jeder hat schon mal gehört, dass dem Öl im Ayurveda ein großer Stellenwert eingeräumt wird. Öl wird äußerlich und innerlich angewandt. Das bedeutet für deinen Alltag, dass du dich nach dem Baden und Duschen mit Körperöl einreibst (Mandelöl, Sesamöl oder Lavendelöl beispielsweise) und dass du Speisen mit Ghee (geklärte Butter) zubereitest. Regelmäßige Massagen mit reichlich Körperöl sind Streicheleinheiten für Körper und Seele.
Wirke der Bewegung mit Ruhe entgegen. Bringe vor allem Ruhe in deine Gedanken. Nicht nur dein Körper, auch dein Kopf und deine Gedanken sind ständig in Bewegung. Vata macht uns nachdenklich. Es fällt uns schwer abzuschalten und im Hier und Jetzt zu bleiben. Was kann man da tun? Meditiere! Nun ja, wie fängt man sowas an, wenn man es noch nie gemacht hat? Wichtig ist, es gibt kein Richtig oder Falsch bei der Meditation. Falls du dich aber schwer tust überhaupt anzufangen, hier eine einfache Morgen-Routine:
Beginne den Tag positiv und entspannt. Am Besten ist es, wenn du vor Sonnenaufgang aufstehst. Mache dir eine Wärmflasche, und befeuchte ein kleines Handtuch. Lege das feuchte Tuch auf deine rechte Seite, unterhalb des Rippenbogens. Platziere die Wärmflasche auf dem Handtuch, direkt auf die Leber (Leberwickel). Ruhe noch eine halbe Stunde.
Stehe auf und nimm eine warme Dusche um dich zu erden. Anschließend öle deinen Körper ein. Mache dir vielleicht noch einen warmen Tee. Setze dich auf den Boden. Nimm dir eine Decke als Unterlage, damit du es bequem hast. Setze dich im Schneidersitz oder Lotus-Sitz hin und achte darauf, dass du möglichst aufrecht sitzt. Warum ist das so wichtig? Beim Meditieren geht es um das richtige Atmen. Unser Körper kann sich von Toxinen befreien, wenn wir richtig atmen. Dabei kann die Luft nur dann tief in unsere Lungen strömen, wenn wir aufrecht sind. Noch wichtiger ist aber, dass wir auch vollständig wieder ausatmen! Daher konzentriere dich auf dein Atmen. Das bewusste atmen hilft dir auch dabei, deine Gedanken einzufangen und zu kontrollieren, denn du sollst beim Meditieren in dich selbst horchen. Nun beginne mit einer Reise in dich selbst. Mache dir bewusst, wer du bist und wie einzigartig du bist. Danke dir selbst und versuche Liebe für dich zu empfinden. Wenn dir das noch nicht gelingen will, dann konzentriere dich einfach weiter auf deine Atmung. Als Hilfe, atme tief ein (zum Beispiel 5 Sekunden) und genauso lange wieder aus und wiederhole dies einige Minuten. Was immer du auch denken magst, achte darauf, dass deine Gedanken positiv sind. Negative Gedanken, lasse fallen.
Eine Ayurveda-Kur angeleitet von Profis ist natürlich sagenhaft. Du kannst aber auch in kleinen Schritten dein Leben ins Gleichgewicht bringen. Die Key-Message allerdings ist: Sei gut zu dir selbst und lerne dich lieben! Bringe Positivität in deinen Alltag. Das schaffst du durch positive Gedanken, aber auch dadurch, dass du dich bewusst positiven Dingen zuwendest. Konkret: lieber Komödie, als nervenaufreibenden Grusel-Schocker gucken. Lieber Yin-Yoga-Playlist, als stressiges Radio hören. Lieber Liebes-Schnulze, als Krimi lesen. Usw...
Natürlich kann und soll man sich nicht komplett abschotten und im rosa Watte-Wolken-Land leben. Aber in manchen Lebenslagen, ist so eine Zuckerwatten-Auszeit durchaus angebracht. Ihr wisst, was ich meine.
Hier noch ein paar Buchempfehlungen von mir:
Louise Hay – Gesundheit für Körper und Seele
Louise Hay – Herzensweisheiten
Rhonda Byrne – The Secret
Lisa, Christina und Johann Mauracher – Es geht mir richtig gut mit Ayurveda
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